01.04.2020
Urban Sketching: Einfach rausgehen und zeichnen
Aquarellieren kennen Sie bestimmt schon – aber haben Sie auch schon mal etwas von Urban Sketching gehört? In unserem Interview verrät uns Künstlerin Tanja Werner alias cube.w3 alles über ihre Lieblingstechnik. Außerdem öffnet sie für uns ihr Sketch-Journal und erklärt, wie Sie am besten mit dem Skizzieren beginnen.
Hallo Tanja! Wie bist du zum Illustrieren gekommen?
Sowohl in meiner Ausbildung zur Mediengestalterin als auch im Architekturstudium habe ich immer schon Situationen, Dinge und Erlebnisse illustriert. Nachdem ich danach lange Jahre überwiegend digital gestaltet habe, zeichne ich nun wieder jeden Tag mindestens eine Seite in meinem Journal. Diese poste ich dann auf Instagram unter #coloryourdaywithcubew3 als Motivation für meine Follower.
Trendthema Urban Sketching – was ist das?
Urban Sketching ist Zeichnen vor Ort – im städtischen, beziehungsweise dörflichen Umfeld. Ich zeichne wo ich gerade bin die reale Situation subjektiv aus meiner künstlerischen Sicht. Das kann draußen oder drinnen sein, beispielsweise im Café oder Einkaufszentrum. Ich bevorzuge es, draußen zu zeichnen. Dafür setze ich mich manchmal auch direkt auf den Boden und zeichne los.
Was zeichnet diese Stilrichtung aus?
Die Umgebung mittels der eigenen Art zu zeichnen wahrzunehmen. Sich von einer Situation loszulösen, obwohl man Teil der Situation ist. Dabei geht es um Erfassen und Verstehen, beziehungsweise die gestalterische Interpretation.
Wie geht man beim Sketching vor?
Das ist sehr unterschiedlich. Meine Vorgehensweise ist meistens so: Zuerst zeichne ich direkt mit wasserfester Tusche. Dann koloriere ich meine Zeichnung. Perspektiven und Personen zeichne ich auch manchmal erst als grobes Gerüst mit Bleistift vor. So kann ich meine Zeichnung leichter anpassen. Es gibt aber auch Künstler, die direkt mit Farbe starten und dann die Form mit Tusche darüber zeichnen.
Was macht dir besonders viel Spaß an dieser Technik?
Draußen zu sein, inmitten der Geschehnisse – und sich trotzdem von ihnen zu lösen. Ich werde zum Beobachter und entschleunige mich.
Wann und wo sketchst du?
Überall! Das liest sich vielleicht komisch, aber es ist so. Wenn ich rausfahre, habe ich wirklich immer meine Malsachen dabei. Und Zuhause liegen sie in der ganzen Wohnung verteilt. Sobald ich irgendwo Wartezeit habe, zeichne ich, was ich gerade sehe. Zum Beispiel musste ich kürzlich beim Reifenhändler warten, da habe ich vom Auto aus die gestapelten Reifen gemalt. Man findet also überall ein "Model" und das muss nicht im klassischen Sinne schön sein.
Ist Urban Sketching auch was für Anfänger?
Ja – einfach rausgehen und zeichnen. Mein Motto ist sowieso:"Hab immer Deine Malsachen dabei!". Dann kann ich sofort alles verewigen. Und nur so entwickelt man sich weiter. Allerdings kann man sich Urban Sketching nicht zu Hause aneignen. Nur vor Ort lernt man, die Sinne zu schärfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und vom Teilnehmer zum Beobachter zu werden.
Welche Tipps hast du für jemanden, der mit Urban Sketching starten will?
Anfänger sollten versuchen, alle urbanen Strukturen zunächst auf ihre Grundformen zu reduzieren. Eine Kirche ist ohne Perspektive betrachtet ein Rechteck und ein Dreieck, mit Perspektive ein Kubus und ein Kegel. Ich würde mit der Außenform starten, dann sind die Details später einfacher. Vielleicht setzt man sich auch erst einmal in ein Café und zeichnet Gegenstände, die etwas kleiner sind und nicht weglaufen können.
Welche Grundausstattung empfiehlst du?
Einen Aquarellkasten mit zwölf halben Näpfchen, einen weichen Pinsel in Größe zehn, einen Rundpinsel in Größe zwei für die Details, einen kleinen verschließbaren Wasserbehälter, einen Bleistift 2B und 8B, einen weißen Stift für Licht-Reflexe und ein Watercolor Book Größe A5 hochkant.
Auf Instagram haben wir gesehen, dass du mit einem Toned Watercolour Book arbeitest – was ist das Besondere daran?
Das Toned Watercolour Book von Hahnemühle gibt es in grau und beige – ich benutze zurzeit gerne die beige Variante. Die Aquarellfarben bekommen eine neuartige Leuchtkraft, da der farbige Untergrund nicht so ablenkt wie reines weiß. Er überstrahlt die Zeichnung nicht, sondern nimmt sich zurück und lässt die Farbe wirken. Ein weiterer künstlerischer Vorteil: Man kann weiß ganz neuartig einsetzen. Zum Beispiel als strahlenden Hintergrund – so erhält die Zeichnung eine helle Aura.
Was für eine Rolle spielen die sozialen Medien für dich?
Eine sehr große Rolle! Sie sind sozusagen meine Werbeplattform. Social Media gibt mir die Möglichkeit, mit anderen Künstlern auf der ganzen Welt in Verbindung zu treten. Hier tausche ich mich aus, lasse mich inspirieren und präsentiere potentiellen Kunden mein Können. Ich teile Werbung für meine Workshops und baue durch Mini-Tutorials das Vertrauen bei eventuellen Teilnehmern auf. Und es ist auch eine wunderbare Freude, sich mit seinen Followern direkt, sehr persönlich auszutauschen.
Cube.w3 ist ein ungewöhnlicher Name. Was steckt dahinter?
Cube.w3 leitet sich von meinem Beruf ab. Da ich Architektin bin, steht "Cube" (Würfel) für den Raum, in dem meine Kreativität stattfindet. Das "W" steht für meinen eigenen und den Namen meines Mannes und die Stadt Wuppertal. Die "3" ist die dritte Dimension – weil ich nicht zweidimensional, sondern mit Perspektive zeichne.
Anfang 2020 ist dein Buch "Watercolor your Journal" erschienen. Kannst du uns etwas darüber erzählen?
In meinem Buch zeige ich, wie man sein Journal als Tagebuch einsetzen kann, indem man alles Erlebte und Wichtige zeichnerisch und in Aquarellen verewigt. Dabei führe ich den Leser zunächst in die unterschiedlichen Materialien und die Welt der Aquarellfarben ein. Dann zeige ich, wie sie Journalseiten layouten und planen können. Insgesamt gibt es 65 Schritt-für-Schritt-Anleitungen und eine kleine Auswahl an Lettering-Alphabeten sowie die Erläuterung, wie Schrift als Gestaltungselement eingesetzt werden kann.
Als diplomierte Ingenieurin der Architektur, Stadtplanerin und Mediengestalterin ist Tanja Werners Leben bis heute von Design und konzeptbasierter Gestaltung geprägt. Seit 2017 veröffentlicht die 41-jährige Illustratorin unter dem Namen cube.w3 eigene Aquarell-Projekte sowie digitale Mini-Tutorials auf Instagram. Ihre Liebe zur Architektur und Stadtplanung lebt die Wuppertalerin auch als Urban Sketcher leidenschaftlich aus.
Haben Sie jetzt auch Lust bekommen mit Journal, Tuschestift und Aquarellfarben bewaffnet loszuziehen und einfach drauflos zu skizzieren? Dann interessiert Sie vielleicht auch unser Artikel "Reiseskizzen – so malt man unterwegs". Vielleicht schauen Sie auch mal in unserem Geschäft in Freiburg vorbei? Hier bekommen Sie alles, was Sie zum Urban Sketching benötigen. Wir von Sutter freuen uns schon auf Ihren Besuch!